Dienstag, 22. Januar 2013

Was ist Wissen? Teil 3: Der Lösung auf der Spur (?)

Es hat zahlreiche Versuche gegeben, das Gettier Problem zu lösen. In Folge dessen wurden viele neue Theorien des Wissens entwickelt. Manche konnten das Gettier-Problem zwar lösen, sprich eine Definition von Wissen anbieten, die zeigt, warum Norbert Neidig nicht weiß, dass jemand im Golfclub eine Rolex besitzt, allerdings haben sich mit diesen Theorien plötzlich neue Probleme ergeben.

Grundsätzlich kann man zwei Herangehensweisen an das Gettier Problem unterscheiden:

1) Die identifikationistische Herangehensweise

Das Subjekt des Gettier Falles hat zwar rechtfertigende Gründe, diese beziehen sich aber auf eine andere Annahme, als man auf den ersten Blick meinen würde.


2) Die kovariantistische Herangehensweise

Diese Herangehensweise ist etwas abstrakter: In einer so genannten benachbarten möglichen Welt, wäre die Überzeugung des Subjektes aller Wahrscheinlichkeit nach falsch. Wissen liegt nur vor, wenn eine Überzeugung stabil wahr ist, also auch in einer dieser benachbarten möglichen Welten wahr wäre.

Heute schauen wir uns ein Beispiel für einen identifikationistischen Lösungsversuch an:


Die Kausaltheorie des Wissens

Die Kausaltheorie des Wissens verlangt, dass Tatsache und Überzeugung kausal miteinander verbunden sein müssen, wenn Wissen vorliegen soll.

Was bedeutet das?
Angenommen, ich sehe ein rotes Auto. Dieses rote Auto ist kausal dafür, dass Lichtstrahlen reflektiert werden, die auf mein Auge treffen. Die Informationen, die meine Augen an mein Gehirn weiterleiten sind kausal dafür, dass ich zur Überzeugung gelange: "Dort steht ein rotes Auto!".



Die Tatsache, dass am Parkplatz ein rotes Auto steht, ist also kausal für meine Überzeugung, dass dort ein rotes Auto steht.




(Übrigens muss die Tatsache die Überzeugung nicht kausal verursachen, es reicht bereits eine kausale Verbindung, doch das ist in diesem Zusammenhang nicht so wichtig.)

Es ist nicht möglich, eine kausale Verknüpfung herzustellen zwischen der Tatsache, dass jemand im Golfclub eine Rolex besitzt, und Norbert Neidigs dementsprechender Überzeugung.

Die Tatsache, dass jemand im Golfclub eine Rolex besitzt wird (zufälligerweise) durch ein Golfclubmitglied (Peter Protzig), das Norbert Neidig nichteinmal kennt, bewahrheitet. Aber es reicht eben nicht aus, dass eine Überzeugung wahr ist, um sagen zu können, dass man auch über Wissen verfügt.

Norbert Neidigs Rechtfertigungsgründe beziehen sich auf einen andere (falsche) Annahme. Nämlich dass Georg Geizig eine Rolex besitzt (was falsch ist, er hat nur eine Fälschung).

Die Tatsache, dass Peter Protzig eine Rolex besitzt, ist also jene, die seine Überzeugung (zufällig) wahr macht, aber für sie nicht kausal ist.

Deswegen weiß - gemäß der Kausaltheroie des Wissens - Norbert Neidig nicht, dass jemand im Golfclub eine Rolex besitzt.


Schwächen der Kausaltheorie des Wissens

Die Kausaltheorie des Wissens vermag zwar das Gettier Problem zu lösen, doch sie lässt dennoch Fälle zu, in denen bloß zufällig richtige Tatsachen als Wissen bezeichnet werden müssten.

Bsp: Hans fährt durch eine Ortschaft, die aus etwa hundert Häusern besteht. Was er nicht weiß ist, dass 99 dieser Häuser Attrappen sind, und nur eines echt ist. Die Attrappen schauen täuschend echt aus, er kann sie nicht als solche erkennen. Hans schaut aus dem Fenster und sieht das einzige der hundert Häuser, das echt ist.
Weiß Hans, dass er gerade ein echtes Haus gesehen hat?

Nach der Kausaltheorie des Wissens muss man sagen: Ja er weiß das. Die Tatsache, dass dort ein Haus steht, ist kausal verbunden mit seiner Überzeugung, dass dort ein Haus steht (vgl oben).

Das Problem ist aber: Wiedereinmal haben wir es mit einer Überzeugung zu tun, die bloß zufällig wahr ist, und daher kein Wissen darstellen sollte. Hätte er nur eine Sekunde früher oder später aus dem Fenster geschaut, wäre er ebenfalls zu der Überzeugung gekommen "Dort steht ein Haus", nur dass sie diesmal falsch gewesen wäre.

Wie eine andere Theorie des Wissens dieses Problem und das Gettierproblem löst, sehen wir im nächsten Beitrag.

Freitag, 11. Januar 2013

Radfords Rum Royal

Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mir je einen Tabak um weniger als 6 Euro gekauft hätte. Für guten Tabak gebe ich gerne Geld aus. Und da ist es mir fast schon egal, ob 50 Gramm 8, 12 oder 14 Euro kosten. Wenn der Tabak schmeckt, dann kaufe ich ihn.

Mein kategorischer Imperativ des Pfeiferauchens lautet also:

"Rauche nur denjenigen Tabak, von dem du zugleich wollen kannst dass seine Qualität der allgemeine Maßstab werde."

Deswegen kann ich auch Tabake rauchen, die gut UND preiswert sind (wie MacBarens "Scottish Mixture").

Wovon ich aber bisher die Finger gelassen habe, das ist das absolute Billigsegment, zu welchem ich auch Radfords "Rum Royal" zähle. (Für 20 Euro bekommt man die 200 Gramm Dose.)

Vor einigen Wochen hat aber die Neugier gesiegt, einmal einen Billigtabak zu probieren.
Hergestellt wird "Rum Royal" von Pöschl. Virginia und Burley wurden angeblich mit echtem Jamaika Rum verfeinert.
Das Tabakbild ist schön hell - wenigstens keine Black Cavendish Bombe.
Der Geruch ist etwas eigenartig. Muffig, ein bisschen Anis, ein bisschen Kokos, aber an Rum muss ich nicht denken.

Der "Rum Royal" ist ein sehr leichter Tabak. Wenig Nikotin und wenig Aromaentfaltung. Er schmeckt "auszugsweise" auch wirklich nach Rum. Soll heißen, die Süße des Tabaks erinnert ein bisschen an Rum. Dazu kommt  ein Aroma, das an exotische Gewürze und Pfeffer erinnert, aber leider nach den ersten 10 Zügen verschwunden ist. Bis zum Schluss bleibt aber diese leicht rumige Süße und etwas, das mich entfernt an Anis oder vielleicht Kokos erinnert. Eingebettet ist das ganze in geschmacklosen Qualm. Obwohl die ersten Züge ein recht vollmundiges Rauchvergnügen versprochen  haben. Das berüchtigte "letzte Drittel Problem" hat man hier schon nach dem ersten Viertel.
Ein Tabak, auf den die Bezeichnung schwachbrüstig in jeder Hinsicht zutrifft. Hier kriegt man nicht wirklich was geboten.
Ich werde mir den Tabak  nicht mehr kaufen, höchstens noch 1,2 Füllungen rauchen.

Ich kann nämlich unmöglich wollen, dass die Qualität des "Rum Royal" der allgemeine Maßstab wird. =)

Was ist Wissen? Teil 2: Das "Gettier-Problem"

Im letzten Teil haben wir die traditionelle Wissensdefinition kennengelernt:

S weiß, dass p, wenn

1) p wahr ist (Wahrheitsbedingung)
2) S glaubt, dass p (Glaubensbedingung)
3) S rechtfertigende Gründe hat, p zu glauben

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Edmund Gettier bewies, dass diese Definition unzureichend ist. Als Beweis konstruierte er Beispiele, so genannte "Gettier Fälle".
Diese beruhen auf zwei Prinzipien:

A) Das Prinzip der gerechtfertigten Falschheit

"Man kann auch für falsche Annahmen rechtfertigende Gründe haben."

Bsp.: Ich habe rechtfertigende Gründe für die Annahme, heute sei Montag, weil ich auf die Uhr geschaut habe. Tatsächlich ist die Datumsanzeige stehen geblieben, heute ist Dienstag.


B) Das Prinzip der gerechtfertigten Deduktion

"Wenn S gerechtfertigterweise x glaubt, und x y impliziert, darf S auch an y glauben."

Bsp.: Ich habe rechtfertigende Gründe für die Annahme, Hans lebt in Wien. (Ich habe seine Adresse im Telefonbuch gesehen.) Das impliziert, dass Hans in Österreich lebt. Also darf ich auch das gerechtfertigterweise glauben.


Mit diesen zwei Prinzipien kann man Fälle konstruieren, in denen die traditionelle Wissensdefinition nicht ausreichend ist.
Hier ein Gettier Fall, den ich mir ausgedacht habe:

Norbert Neidig und Georg Geizig kennen einander aus dem Golfclub.
Norbert Neidig hat gute Gründe zu glauben, dass Georg Geizig eine Rolex besitzt. Er hat nämlich eine Uhr mit dem Rolex Logo an Georg Geizigs Handgelenk gesehen. Außerdem hat Georg Geizig ihm erzählt, dass er eine Rolex hat, und ihm das Zertifikat gezeigt.
Norbert Neidig hat daher gute Gründe zu glauben, dass Georg Geizig eine Rolex besitzt. Dass Georg Geizig eine Rolex besitzt, impliziert, dass jemand aus dem Golfclub eine Rolex besitzt.
(Prinzip der gerechtfertigten Deduktion!)
Nobert Neidig darf also auch glauben: "Jemand aus dem Golfclub besitzt eine Rolex".

Tatsächlich aber hat Georg Geizig keine Rolex, sondern nur eine billige Kopie aus Fernost. Jedoch besitzt Peter Protzig, ebenfalls Mitglied im Golfclub, eine echte Rolex. Norbert Neidig hat Peter Protzig noch nie gesehen.



Was ist geschehen? Norbert Neidig hat aus der falschen Prämisse "Georg Geizig besitzt eine Rolex" die richtige Prämisse "Jemand im Golfclub besitzt eine Rolex" ableiten können.
Doch will man wirklich sagen, dass Norbert Neidig weiß "jemand im Golfclub..."?
Nach der traditionellen Wissensdefinition müsste man sagen: Ja, er weiß es!
Warum?

1) Es ist wahr, dass jemand im Golfclub eine Rolex besitzt. (Wahrheitsbedingung)
2) Norbert Neidig glaubt dies auch. (Glaubensbedingung)
3) Norbert Neidig hat rechtfertigende Gründe dies zu glauben. Er hat nämlich am Handgelenk eines Golfclubmitglieds eine "Rolex" gesehen. (Rechtfertigungsbedingung)

Merke:
Norbert Neidig könnte nicht wissen, dass Georg Geizig eine Rolex besitzt! Denn hier wäre die Wahrheitsbedingung nicht erfüllt (Georg Geizig hat ja nur eine Fälschung).
Aber er könnte - zumindest gemäß der traditionellen Definition des Wissens - wissen, dass jemand aus dem Golfclub eine Rolex besitzt, sofern man die Prinzipien A und B anerkennt.
Prinzip A: Norbert Neidig hat rechtfertigende Gründe für die falsche Annahme, Georg Geizig besitzt eine Rolex.
Prinip B: Die Tatsache, dass Norbert Neidig gerechtfertigterweise glauben darf, dass Georg Geizig, ein Mitglied des Golfclubs, eine Rolex besitzt, impliziert logischerweise, dass jemand aus dem Golfclub eine Rolex besitzt. (Daher darf Norbert Neidig das auch glauben.)


Es stellen sich zwei Probleme:
Wie kann es möglich sein, aus falschen Prämissen etwas Wahres abzuleiten?

Liegt hier wirklich Wissen vor? Nein, die traditionelle Wissensdefinition ist unzureichend: Denn dieses "Wissen" ist rein zufällig wahr. Peter Protzig könnte ganz leicht eine Omega und keine Rolex besitzen - schon würde Norbert Neidig nicht mehr wissen "jemand im Golfclub...", weil dies falsch wäre.
Und wie wir aus Teil 1 wissen, sollen rein zufällig wahre Tatsachen kein Wissen darstellen.

Mit Versuchen, das Gettier Problem zu lösen, beschäftigen wir uns im dritten Teil.

Mittwoch, 9. Januar 2013

Was ist Wissen? Teil 1: Die traditionelle Wissensdefinition

Diesen Blog habe ich ins Leben gerufen, um darin ganz verschiedene Themen zu behandeln. Hiermit starte ich eine kleine Reihe, die sich mit der Frage beschäftigt, was Wissen überhaupt ist.

Es ist erstaunlich, dass in der Philosophie oft jene Diskussionen besonders interessant (und kompliziert!) sind, die sich um alltägliche Begriffe drehen. Das sieht man schon in Platons Frühdialogen.
Einer dieser interessanten, alltäglichen Begriffe, ist der Begriff "Wissen".

Zum Einstieg, zwei kleine Beispiele:

1) Ich schaue aus dem Fenster: Am Himmel sehe ich dunkle Wolken, in einer Pfütze bilden sich kleine Kreise. Ich strecke meine Hand aus, und fühle, wie sie nass wird. Offensichtlich regnet es. Weiß ich, dass es regnet? Zweifellos ja.

2) Ich behaupte einfach mal so, die aktuellen Lottozahlen wären 1,2,3,4,5,6. Ich schaue in der Zeitung nach: Die Lottozahlen sind tatsächlich 1,2,3,4,5,6! Wusste ich das, bevor ich in die Zeitung geschaut habe? Intuitiv würde man sagen: Nein! Das war bloßer Zufall!

Und hier haben wir schon ein wichtiges Merkmal: Wissen scheint nur vorzuliegen, wenn etwas nicht bloß zufällig wahr ist. Die Lottozahlen hätten ganz leicht auch 3,6,7,23,34,44 lauten können. Anscheinend habe ich im Beipiel 2 nur gut geraten. In Beispiel 1 hingegen, konnte ich mein Wissen, dass es regnet, argumentativ untermauern.
Wissen ist also insbesondere nicht Raten, oder bloß zufällig das Richtige glauben.

Die traditionelle Wissensdefinition lautet daher:

S (ein Subjekt, ein Mensch) weiß, dass p (eine Proposition, eine Tatsache), wenn
1) p wahr ist
2) S glaubt, dass P
3) S rechtfertigende Gründe hat, p zu glauben

Schauen wir uns 1-3 genauer an:

1) Ich weiß, dass p, wenn p wahr ist. Das bedeutet: Wissen kann man nur, was wahr ist. Ich kann nur wissen, dass es regnet, wenn es tatsächlich regnet. Ich kann nur wissen, dass die Erde rund ist, wenn sie tatsächlich rund ist. Gegenbeispiel: Niemand wusste jemals, dass die Erde flach ist. Wissen bezieht sich also immer auf wahre Sachverhalte. Man nennt diese Bedingung "Wahrheitsbedingung".

2) ich kann nur etwas wissen, an das ich auch glaube. Das ist logisch: Es ist denkunmöglich, dass ich etwas weiß, aber nicht daran glaube. Ich kann nicht wissen, dass es regnet, gleichzeitig aber nicht glauben, dass es regnet. Man nennt dies "Glaubensbedingung".

3) Wissen liegt nur vor, wenn ich rechtfertigende Gründe habe, etwas zu glauben. Siehe     Beispiel 1: Meine rechtfertigenden Gründe, zu glauben, dass es regnet sind: Ich sehe die dunklen Wolken, ich spüre, wie meine Hand nass wird, ich sehe, wie sich in der Pfütze Kreise bilden, etc.. In Beispiel 2 hingegen, habe ich keine Gründe, die meinen Glauben, dass die Lottozahlen 1,2,3,4,5,6 lauten, rechtfertigen.

Diese Definition war bis in die 1960er Jahre die herrschende Meinung. Dann bewies Edmund Gettier, warum sie unzureichend ist. Mit dem sogenannten "Gettier Problem" beschäftigen wir uns das nächste Mal.