... so lautet vermutlich eines der bekanntesten geflügelten Worte
überhaupt. Jeder kennt diesen Satz, doch was bedeutet er? Ist er
Ausdruck eines radikalen Skeptizismus?
Nein - genau das Gegenteil
ist der Fall. Was dieser Satz zum Ausdruck bringt, damit will ich mich
in den folgenden zwei oder drei Beiträgen befassen.
Zunächst
können wir festhalten: Dieser Satz stammt von Sokrates (469-399 v.Chr.),
dem bekanntesten Philosophen der griechischen Antike. Er war Lehrer des
Platon (427-347 v.Chr.). Platon wiederum war Lehrer des Aristoteles
(384-322 v.Chr.). Somit hätten wir die "großen drei" der griechischen
Philosophie in einen Zusammenhang gebracht.
Sich mit einzelnen
gedanklichen Systemen auseinanderzusetzen, ist in aller Regel nicht
zielführend. Man muss wissen, was vorher war - Neuerungen im Denken sind
Reaktionen, keine plötzlichen Geistesblitze von Genies.
Daher müssen
wir uns, bevor wir uns mit Sokrates befassen, mit der philosophischen
Strömung befassen, die vor ihm war: der Sophistik.
Die Sophistik
Athen
im 6.Jhdt. v. Chr. muss in einer sehr turbulenten Verfassung gewesen
sein: Die Perserbedrohung war immanent. Die Aristokratie, die bisher ein
Monopol auf die politische Macht hatte, verlor an Bedeutung. Warum?
Bisher war das Kriegführen Sache der Aristokratie. Nur sie konnte sich
Waffen leisten, und wusste mit diesen umzugehen. Daher waren es auch die
Aristokraten, die für politische Entscheidungen zuständig waren. Doch
angesichts der Perserbedrohung mussten die Griechen ihre Flotte
aufrüsten. Sie bauten Trieremen. Diese wurden mittels Ruderern bewegt.
Also mussten nun auch die normalen Bürger zum "Wehrdienst" herangezogen
werden. Die Aristokraten waren nicht mehr die einzigen, die an
kriegerischen Handlungen beteiligt waren. Infolge dessen forderten auch
die einfachen Bürger politische Mitbestimmung. Das ist logisch:
Wer am
Krieg teilnimmt, war zu dieser Zeit auch für die Politik zuständig.
Die griechische Demokratie war geboren.
Eine neue Art von Politik
Die
Beteiligung der Bürger an politischen Entscheidungen führte aber zu
einer Herausforderung: Bisher überzeugte eine politische Entscheidung,
weil sie von einem Aristokraten kam. Doch nun war das nicht mehr
maßgeblich. Jetzt stand man vor der Schwierigkeit, dass man die anderen
nicht mehr allein durch kriegerische Erfolge von der Richtigkeit einer
politischen Ansicht überzeugen konnte. Politische Ansichten mussten
vernünftig begründet werden, sie mussten transparent werden. Andere
mussten sie argumentativ nachvollziehen können, wenn man ihre Stimme
gewinnen wollte.
Wie erreicht man das? Mittels Rhetorik und politischer Bildung.
Der Aufstieg der Sophisten
Hier
kommen die Sophisten ins Spiel. Es handelt sich hierbei nicht um eine
einheitliche philosophische Strömung (die Ansichten der Sophisten
unterscheiden sich teils enorm voneinander).
Die Sophisten waren
Privatgelehrte, die (gegen Geld) Unterricht in politischer Bildung und
Rhetorik vermittelten. Auch hoben sie die Philosophie auf eine neue
Ebene. Die bisherige Naturphilosophie sah den Menschen als Bestandteil
einer großen kosmischen Ordnung, in welche er sich einfügt. Die Sophisten
nehmen nun den Menschen aus dieser großen kosmischen Ordnung heraus,
und fragen sich: Was ist der Mensch? Was ist sein Wesen? Was ergibt sich
daraus für die politische Ordnung? Welche politische Ordnung entspricht
seiner Natur? Welche ist daher die beste?
Nicht ohne Grund wird die Sophistik gelegentlich als "griechische Aufklärung" bezeichnet.
Der Mensch als Maß aller Dinge
Doch
die Sophisten glitten in den Subjektivismus und in den Relativismus ab.
Wahrheit erscheint jedem Menschen verschieden. Wahrheit ist eine
subjektive Angelegenheit. Vielleicht gibt es eine objektive Wahrheit,
aber die ist uns Menschen unmöglich zugänglich.
Der Sophist Protagoras bringt es folgendermaßen auf den Punkt:
"Der Mensch ist das Maß aller Dinge, der Seienden, wie sie sind, der Nicht-Seienden, wie sie nicht sind."
Protagoras
leugnet garnicht das Bestehen einer objektiven Wahrheit, nur sie ist
für uns Menschen nicht von großer Bedeutung, da wir sie sowieso nicht
erfassen können. Aber das heißt nicht, dass jeder irgendwie Recht hat.
Es ist zumindest möglich, eine gute Meinung von einer schlechten Meinung
zu unterscheiden - mithilfe der Rhetorik. (?)
Wie erwähnt, sind
die Sophisten keine einheitliche Strömung. Protagoras ist vielleicht so
etwas wie ein gemäßigter Skeptizist. Andere Sophisten, vertreten einen
radikalen Skeptizismus, und interessieren sich überhaupt nicht für die
Wahrheit. Sie interessiert nur, wie man eine Meinung möglichst
rhetorisch geschickt verpacken kann, um damit andere zu überzeugen.
Ethische Bedenken kennen sie nicht.
Diesen Entartungen von Politik und Philosophie sollte Sokrates entgegentreten.
Freitag, 28. Februar 2014
Mittwoch, 29. Januar 2014
Ich denke, also bin ich Teil 4 – Friedrich Nietzsche
Nietzsche war kein akademischer Philosoph. Vor allem
Nietzsches spätere Werke sind nicht eindeutig im Bereich der Philosophie zu
lokalisieren, sondern in einem Graubereich zwischen Philosophie und Literatur (also
Kunst). Es bleibt bei oft oberflächlichen Andeutungen, die nicht ausformuliert
werden, denen dafür mit einer umso gigantischeren Sprache Eindruck verliehen
wird. Nietzsche ist meines Erachtens nach neben Goethe der größte Sprachkünstler des Deutschen. Das
Wirken aus einem Graubereich heraus ist von Nietzsche zum Teil gewollt, wie
sich etwa in „Jenseits von Gut und Böse“ zeigt, wo er versucht auf knapp 25
Seiten die gesamte bisherige europäische Philosophie zu verwerfen:
„Allmählich hat
sich mir herausgestellt, was jede grosse Philosophie bisher war: nämlich das
Selbsterkenntnis ihres Urhebers und eine Art ungewollter und unvermerkter
mémoires“
Jede bisherige Philosophie sei ein Zurechtbiegen der
Natur gewesen. Über die Stoa meint Nietzsche etwa:
„[…]ihr verlangt,
dass sie [die Natur] „der Stoa gemäß“
Natur sei“
Der Mangel der Philosophie sei ihre Glaube an eine „Wahrheit
an sich“:
„[…] die Kantische
Frage „wie sind synthetische Urtheile a priori möglich?“ durch eine andere
Frage zu ersetzen „warum ist der Glaube an solche Urtheile nöthig?““
Doch auch die Naturwissenschaften kommen nicht
ungeschoren davon:
„Es dämmert jetzt
vielleicht in fünf, sechs Köpfen, dass Physik auch nur eine Weltauslegung und
–Zurechtlegung und nicht eine Welt-Erklärung ist“
Erklärt sich die Leitstellung der Naturwissenschaften (heute
noch) also aus dem „ewig volkstümlichen
Sensualismus“?
Ausnahmsweise findet Nietzsche auch für Platon löbliche
Worte. Seine Ideenlehre sei „vornehm“,
da sie dem „plebejischen Grundgeschmack“ -dem Empirismus- widerstehe.) Aber ist Nietzsche hier nicht auch ein Vordenker des
Konstruktivismus (konsequenter gar als Vico, Berkeley, Locke oder Kant?), wenn er sagt,
Naturgesetze werden in die Welt nur hineininterpretiert, seien aber keine
Gesetze der Welt an sich? Doch, und hier wird Nietzsche zum Literaten, anstatt
diesen Gedanken konsequent zu Ende zu denken, denkt er ihn in andere,
poetischere Richtungen.
Nietzsche als Vordenker des Konstruktivismus zu sehen,
wäre zu viel der Ehre. Die bloße Behauptung, dass Naturgesetze in die Welt
hineininterpretiert werden, ist noch kein Gegenentwurf oder gar eine fundierte
theoretische Einsicht.
Blendet man Nietzsches Sprachgewalt aus, bleibt eine
Einsicht übrig, die sich auch auf Grundlage des volkstümlichen Skeptizismus treffen
ließe.
Was trägt Nietzsche nun zur Diskussion um das descartsche
Gedankenexperiment bei? Eine fundamentale Kritik:
„Was den
Aberglauben der Logiker betrifft: so will ich nicht müde werden, eine kleine
kurze Tatsache immer wieder zu unterstreichen, welche von diesen
Abergläubischen ungern zugestanden wird – nämlich, daß ein Gedanke kommt, wenn
»er« will, und nicht wenn »ich« will; so daß es eine Fälschung des Tatbestandes
ist zu sagen: das Subjekt »ich« ist die Bedingung des Prädikats »denke«. Es
denkt: aber daß dies »es« gerade jenes alte berühmte »Ich« sei, ist, milde
geredet, nur eine Annahme, eine Behauptung, vor allem keine »unmittelbare
Gewißheit«. Zuletzt ist schon mit diesem »es denkt« zuviel getan: schon dies
»es« enthält eine Auslegung des Vorgangs und gehört nicht zum Vorgange selbst.
Man schließt hier nach der grammatischen Gewohnheit »Denken ist eine Tätigkeit,
zu jeder Tätigkeit gehört einer, der tätig ist, folglich –«. Ungefähr nach dem
gleichen Schema suchte die ältere Atomistik zu der »Kraft«, die wirkt, noch
jenes Klümpchen Materie, worin sie sitzt, aus der heraus sie wirkt, das Atom;
strengere Köpfe lernten endlich ohne diesen »Erdenrest« auskommen, und
vielleicht gewöhnt man sich eines Tages noch daran, auch seitens der Logiker
ohne jenes kleine »es« (zu dem sich das ehrliche alte Ich verflüchtigt hat)
auszukommen.“
Nietzsches Beitrag zu Dualismus versus Monismus ist also
durchaus methodisch. Er begegnet der Frage nach Körper und Geist mit einem
sprachphilosophischen Ansatz. Freilich ohne ins Detail zu gehen.
Wahrscheinlich erinnert er sich hier an seine frühere
Schrift „Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne“.
Friedrich Nietzsche war gewiss ein großer Geist, ein
Meister der deutschen Sprache. Doch obwohl sein außergewöhnliches Denken
zweifellos interessant ist: Ich denke, man muss vorsichtig sein, ihn als Propheten
zu betrachten. Als Propheten der Dialektik der Aufklärung, als Propheten der
Psychoanalyse, als Propheten der Dekonstruktion, des Existenzialismus, etc..
Nietzsche wirft Fragen auf, ohne sich mit ihnen wirklich
auseinandersetzen zu wollen (!) und zu können. Das ist seiner „Methode“
geschuldet.
Dienstag, 28. Januar 2014
Borkum Riff: Scandinavian Mixture vs. Mixture Scandinavian
Die „Scandinavian
Mixture“ war der zweite Pfeifentabak meines Lebens. Der erste war der Mc
Lintock „Wild Cherry“ und obwohl ich damals noch völlig neu bei der Sache war, hatte
ich schon nach den ersten 3,4 Füllungen so eine Ahnung: Es muss doch bessere
Tabake geben.
Vielleicht gibt
es ja Tabake, dachte ich, die „natürlicher“ schmecken und mehr bieten als dünnen,
künstlichen Kirschgeschmack, „harmonisch“ abgerundet mit heißer Luft.
Also bin ich in
die Trafik gegangen, um mir einen „Tabak ohne Aromatisierung“ empfehlen zu
lassen. In die Hand gedrückt wurde mir die „Scandinavian Mixture“ von Borkum
Riff.
Dass die auch nicht
ganz naturnah war, wurde mir erst einige Tabakkäufe später klar. Dennoch gefiel
mir diese Mischung ganz gut. So gut immerhin, dass ich wenigstens einmal im
Jahr einen 50g Pouch verraucht habe (bis jetzt).
Das tolle an der „Scandinavian
Mixture“ war, dass sie einfach und ehrlich war. Ein milder Tabak, leicht
geflavourt mit einem Aroma, das ich nie wirklich beschreiben konnte. „Dunkle Schokolade mit Rosenöl“ – zufrieden bin
ich mit meiner Beschreibung nicht, aber ich krieg es nicht besser hin.
Doch obwohl diese
– zugegeben – merkwürdige Kombination heftig klingt, war das Flavour sehr
dezent und lies genug Platz für einen würzigen, tabakechten Grundcharakter.
Doch dann wurde
aus der „Scandinavian Mixture“ die „Mixture Scandinavian“. Die Reihenfolge der
Worte wurde einfach umgedreht, und die Schriftart geändert. Früher war „Scandinavian“
in Blockbuchstaben und „Mixture“ in geschwungener Schrift – heute ist es genau
anders herum.
Leider hat der
neue „blaue Borkum Riff“ mit dem alten überhaupt nichts mehr zu tun. Der Geruch
ist immerhin fast noch derselbe, abgesehen davon, dass er mit einer grausamen
Vanillenote „verbessert“ wurde. Die ersten Züge erinnern noch an frühere Zeiten,
doch nach dem ersten Drittel verblasst der Geschmack, wie eine alte Erinnerung
(um es poetisch zu sagen).Es folgen 30 Minuten heiße Luft, sofern man die
Pfeife nicht vorher weglegt.
Schade, dieser
Tabak war mal richtig gut. Ich werde schauen, ob ich noch ein paar alte Pouches
aus Restbeständen ergattern kann. Die werde ich mir dann gut einteilen. Denn
obwohl die „Scandinavian Mixture“ niemals in der Oberliga gespielt hat, tut es
doch ein bisschen weh, wenn ein durchaus solider „Tankstellentabak“ in eine
0815 Rauchpappe verwandelt wird.
Ein bisschen
Recherche ergab außerdem, dass der Tabak früher von Swedish Match produziert
wurde, heute jedoch von der Scandinavian Tabacco Group. Außerdem wurde der
Burley durch Black Cavendish ersetzt – ich denke da liegt der Hund begraben.
Samstag, 25. Januar 2014
Magne Falkum Tullagreme House #3
Das Tabakhaus
Falkum bietet drei Flakes im Rahmen der „Tullagreme House“ Serie an. Alle
werden von Kohlhase und Kopp fabriziert und verfügen demnach über exzellente
Raucheigenschaften. Bei keinem der Tabake kann man etwas falsch machen. #2 und
#6 zeichnen sich durch ein sehr helles Tabaksbild und eine gehörige
Virginiasüße aus. Beide sind leicht bis
mittel einzustufen.
Ich will mich
hier auf die #3 konzentrieren, weil sie für meine Begriffe die interessanteste
Kandidatin ist.
Der „Tullagreme
House #3“ ist der kräftigste Flake der Serie, aber auch er ist weit davon
entfernt als stark eingestuft zu werden. Für meine Begriffe ist er ein „typisch
mittelstarker“ Flake.
Der Dose
entströmt kein Aroma, das der Flakeliebhaber nicht schon kennt: dunkles Brot, Trockenfrüchte,
ein bisschen säuerlich, … ganz klassisch.
Im Unterschied zu
#2 und #6 ist das Tabaksbild der #3 sehr dunkel. Das wirkt sich auf den Geschmack
aus: Die #3 ist süffiger, voller. Die
typische Virginiasüße ist nicht so intensiv wie bei #2 und #6. Ich würde
sagen: So präsent wie nötig und so dezent
wie möglich. So wird der Tabak nie zu süß
und lässt genug Platz für angenehm-würzige Aromen, die nie überhand nehmen.
Abgerundet wird dieser hervorragende Flake durch eine leichte Säuerlichkeit.
Dafür wird wohl eine kleine Prise Perique verantwortlich sein.
Somit komme ich
zum Fazit, dass der „Tullagreme House #3“ ein uneingeschränkt zu empfehlender
Flake ist. Die Kunst der Flakeherstellung wurde mit ihm nicht neu erfunden,
aber er gehört zu meinen meistgerauchten Tabaken überhaupt. Hier stimmt einfach
alles, nicht zu süß, nicht zu rustikal, nicht zu schwach, nicht zu stark.
Einen winzigen Minuspunkt
gibt’s für die Konsistenz: Der Flake zerbröselt ziemlich leicht. Das erkennt
man auch am Foto: Obwohl die Dose kaum halb geleert ist, hat sich schon genug
für einen ready rubbed angesammelt. Knick und Falt Fundamentalisten müssen den
Tabak also besonders vorsichtig handhaben.
Wer leichtere Flakes mag, sollte #2 und #6 probieren. (Werden reviewt, sobald ich sie wieder habe.)
Montag, 20. Januar 2014
Rauchverbote oder: warum es um mehr geht, als ums Rauchen
Rauchverbote dienen, so heißt es, dem Gesundheitsschutz.
Der Staat denkt dabei nicht nur an die Gesundheit der Nichtraucher, sondern
auch an die der Raucher. Ist das nicht eigentlich eine feine Sache?
Jahrhundertelang hat sich der Staat überhaupt nicht für die Gesundheit der
Menschen interessiert. Stattdessen hat er seine Bevölkerung in sinnlosen
Kriegen sterben lassen. Und wenn der Krieg zu Ende war, durften sie nach Hause
gehen und sich auf Feldern und in Fabriken ausbeuten lassen. Wer nicht im Krieg
starb, der starb in der Fabrik oder der Kohlegrube.
Doch heute haben wir zum Glück einen viel humaneren
Staat. Er ist eigentlich das genaue Gegenteil von dem furchtbaren Staat
früherer Zeiten. Unserem Staat ist unser Wohlergehen nicht egal. Ganz im
Gegenteil: Er kümmert sich um unsere Gesundheit. Bisher geschah das vor allem
durch ein Sozialsystem. Das ist halt im Moment im Abbau begriffen, wegen der
Krise. Aber der Wille zählt! Und obwohl für den Sozialstaat kein Geld mehr da
ist (der einzelne Mensch ist halt nicht so systemrelevant, wie eine große
Bank), lässt uns unser Staat nicht hängen. Er verändert einfach seine
Strategie. Indem uns vorgeschrieben wird, was wir zu tun und zu lassen haben,
sollen wir erst gar nicht krank werden! Ein doppelter Gewinn: Der Staat spart
das Geld (das brauchen andere dringender), und uns selbst bringt es (angeblich)
Gesundheit – auch wenn es bis heute äußerst unklar ist, was und wie viel wovon
eigentlich wirklich gesund ist. Egal, der gute Wille zählt!
Unser Staat ist sogar so human und fortschrittlich, dass
er mit der Regulierung des Rauchens nicht mal nur die Nichtraucher schützen
will. Sogar die Raucher selbst will er schützen! Wenn das nicht fürsorglich
ist! Mittlerweile gibt sogar der eine oder andere Raucher zu, dass er sich über
die Rauchverbote freut.
Dennoch. Viele Leute werden das Gefühl nicht los, dass es
bei den Rauchverboten um mehr geht, als ums Rauchen. Doch was ist dieses
„mehr“? - Dessen Analyse konsequent nicht stattfindet. Warum beschränkt sich
die öffentliche Diskussion nur auf das unmittelbare
Für und Wider? Ich habe versucht, dieses „mehr“ philosophisch zu
analysieren. Dabei habe ich drei Punkte gefunden, die auf eines hindeuten: Die
Entsolidarisierung.
Hilfreich für diese Analyse war das Denken von Robert
Pfaller (der in den letzten Jahren einige äußerst lesenswerte Bücher geschrieben
hat, z.B. „Wofür es sich zu leben lohnt“), Michel Foucault und Immanuel Kant.
Anstatt diesen Text mit Quellenangaben zu strapazieren, sei an dieser Stelle
einfach auf diese Philosophen verwiesen.
1) Neutralisierung der Öffentlichkeit (Robert Pfaller)
Ist es angemessen, in einer öffentlichen Diskussion
hauptsächlich darüber zu sprechen, wer und wie viele sich „belästigt“ fühlen?
Ist das Kriterium des „sich belästigt fühlen“ eigentlich angemessen, wenn es
Ge- und Verbote im öffentlichen Raum geht? Fordert dieses Kriterium nicht
geradezu dazu auf, dass jeder den öffentlichen Raum als erweitertes Wohnzimmer
versteht?
Moment, die Öffentlichkeit als Wohnzimmer? Das klingt ja
gar nicht so schlecht, oder?
Doch. Weil mangels praktikablen Kompromisses überhaupt
nichts mehr erlaubt wäre. Essen, Rauchen, spielende Kinder, Erholung, Klassik
oder Techno… Jeder Mensch hat
verschiedene Vorstellungen davon, was in ein gemütliches Wohnzimmer gehört. Und
wenn niemand sich belästigt fühlen soll… Richtig, dann kann am Ende überhaupt
nichts mehr erlaubt sein. Das Wohnzimmer wird zum Klassenzimmer. Und in dem
sitzt nicht eine Petze, sondern nur noch Petzen.
Dabei sollte Öffentlichkeit eigentlich mehr sein, als ein
Wohnzimmer, denn dann könnte man ja gleich zu Hause bleiben. Öffentlichkeit
sollte ein Ort der Begegnungen und Möglichkeiten sein. Dabei muss nicht alles,
allen gefallen. Eine Öffentlichkeit, die nur noch das bietet, was allen gefällt
(der minimalst denkbare Kompromiss), ist eben keine Öffentlichkeit mehr. Eine
solche „Öffentlichkeit“ hat keine Potentiale und ihre Bürger bringen politisch nichts
mehr zustande.
Die Funktion der Öffentlichkeit ist nämlich auch eine
politische. Denn sie ist das Forum der Bürger. Erst hier werden viele Einzelne
zur „Gesellschaft“ zusammengefasst. Diese wiederum ist das Instrument, das den
Staat lenkt.
Wenn es keine Gesellschaft gibt (aus der sich z.B. auch
die „Zivilgesellschaft“ als Träger der Moral bildet), steht der Einzelne dem
Staat völlig ausgeliefert gegenüber, der stattdessen von irgendwem anderen (Technokraten, Lobbys, etc.) gelenkt wird.
Man könnte auch sagen: Das öffentliche ist politisch. Es
ist zwangsläufig politisch. Es gibt keine Diskussion über Ge- und Verbote in
der Öffentlichkeit, die nicht fundamental relevant ist. Die Art und Weise, wie Öffentlichkeit
gestaltet wird, weist direkt auf den Zustand der Demokratie hin. Selbst, wenn
es angeblich „nur“ ums Rauchen geht.
Das Angebot einer Politik, die sich human gibt, und für
jeden, der sich belästigt fühlt, ein Verbot erlässt, könnte ein geschickter
Raubzug sein, der es auf die mächtigste Waffe der Bürger abgesehen hat: Eine dynamische
Öffentlichkeit, die zwar nicht frei von unterschiedlichen Ansichten ist, aber
in der die Bürger Würde empfinden können – weil man von ihnen verlangt, sich
als Erwachsene zu benehmen. Eine Politik, die Bürger ermutigt, sich empfindlich
wie Kinder zu verhalten, sollte hinterfragt werden – egal worum es geht.
2) Nicht Fürsorge, sondern „Biomacht“
(Michel Foucault)
Einen anderen Anhaltspunkt habe ich in Michel
Foucaults (1926-1984) Konzept der Biomacht gefunden. Die „traditionelle“ Macht,
war eine Macht über Leben und Tod. Der Lehnsherr hatte (theoretisch) jederzeit
die Möglichkeit, das Leben seiner Untertanen zu beenden, man denke an die
eigentumsgleiche Stellung der Leibeigenen.
Doch mit der Moderne muss man ein neues Konzept der Macht
entwickeln. Denn die traditionelle Macht, die sich einfach darin erschöpft über
Leben und Tod zu gebieten, passt nicht mehr. Die ökonomischen Veränderungen
(Industrialisierung, Aufkommen des Kapitalismus) erfordern ein neues Konzept.
Jetzt kommt es darauf an, das Leben der Untertanen zu fördern, zu
optimieren und zu regulieren(!), damit sich diese in die Produktionsprozesse optimal
einpassen.
Erst jetzt werden Angelegenheiten wie Gesundheit,
Geburtenrate, Sexualität und Lebensgewohnheiten ein Thema für die Politik.
Vorher waren diese Dinge relativ uninteressant. Ab nun behandelt die Politik
fast nur noch diese Fragen. Politik wird fast ausschließlich Biopolitik.
Das „freie“
Subjekt
Diese neue Art der Machtausübung wird nicht mehr „von
oben herab“ ausgeübt, wie das früher der Fall war. Stattdessen entwickelt sich
ein dichtes Netz von Diskursen, das die gesamte Gesellschaft durchzieht.
Diese Diskurse bestimmen, grob gesagt, welche Aussagen
getroffen werden können, welche Schlussfolgerungen gezogen werden können, was
als wahr oder falsch gelten kann. Diskurse bestimmen, was als „Wissen“ gelten
kann. Das heißt auch, dass Macht nicht mehr lokalisiert werden kann. Nicht „die
Regierung“ allein übt die Macht aus. Macht, als Diskurs, durchzieht als Netz
die gesamte Gesellschaft, jeder
kann hier Macht ausüben, solange er dabei den vorgegebenen Regeln des Diskurses
folgt.
Ist nicht der Hass, der den Rauchern teilweise entgegenschlägt,
bemerkenswert? Es könnte einem ja egal sein, ob jemand raucht oder nicht. Warum
aber dieser Fanatismus, warum diese Lust an harten
Worten? Weil die harten Worte mit einem Diskurs korrelieren. Und der
Diskurs ist Machtausübung. Die Lust an den harten Worten ist eine Lust an der Machtausübung, nicht bloß die
Lust am „pöbeln“.
Doch der Diskurs ist perfider, als dass er bloß den
radikalen Nichtrauchern die Möglichkeit gibt, Macht auszuüben. Kennt nicht
jeder einen Exraucher, der sagt, er fühle sich erst wirklich frei, seit er mit dem Rauchen aufgehört hat?
Übersetzt in Foucaults Denken heißt das: Vorher durfte er sich nicht frei fühlen, weil ihm das der Diskurs
eingebläut hat: „Wer raucht, ist nicht
frei!“ – Was auch immer „frei“ bedeuten soll, dieser Begriff spielt in
Wahrheit keine Rolle. Er klingt nur gut.
Nicht nur dem radikalen Nichtraucher, auch dem Raucher
macht der Diskurs das verlockende Angebot, an der Macht teilzuhaben. Aber nur,
wenn er mit dem Rauchen aufhört. Solange er raucht, ist er machtlos, ein Sklave
seiner Sucht.
An dieser Stelle muss man sich überlegen, ob es
angemessen ist, für uns, die wir uns gerne als die „moderne Welt“ bezeichnen,
solche manipulativen Methoden zuzulassen.
3) Relativierung der Würde (Immanuel Kant)
Bleiben wir bei den harten Worten: Warum war es den
Machern des Antiraucherdiskurses so wichtig, die Raucher explizit in die Nähe
der Unfreiheit zu stellen? Warum hat man sich nicht damit begnügt, das Rauchen
einfach als „schlechte Angewohnheit“ zu disqualifizieren, wie es schon früher
gemacht wurde?
Das hat „gute“ Gründe, die beweisen, wie intelligent das
ganze geplant ist. Denn die Besonderheit des Menschen liegt darin, ein
Freiheits- und Vernunftwesen zu sein. Das ist eine zentrale Errungenschaft des christlich-abendländischen
Denkens der letzten 2500 Jahre. Das erst unterscheidet den Menschen vom Tier.
Es ist die Fähigkeit über sich selbst zu reflektieren und sich autonom Ziele zu
setzen. Nichts anderes besagt der kategorische Imperativ:
„Handle nur nach derjenigen Maxime,
durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
Element der
Freiheit: Der kategorische Imperativ gibt keine
inhaltliche Regel vor, wie etwa „du sollst nicht töten“ oder „du sollst
nicht rauchen“. Im Gegenteil: Das Individuum selbst ist berufen, eine konkrete
Regel zu formulieren (=Element der Autonomie = Selbstgesetzgebung).
Das wunderbare
ist, dass im kategorischen Imperativ bereits der Gedanke der Toleranz
mitschwingt (obwohl das nichtmal sein Hauptanliegen ist).
Doch wer
nicht frei ist, der ist auch nicht zur Autonomie fähig. Doch die Freiheit
bildet das Zentrum der Menschenwürde.
Menschenwürde besagt nichts anderes, als den Menschen allein schon deshalb zu achten, weil er ein
Mensch ist. Die Würde des Menschen ergibt sich letzten Endes aus seiner
Fähigkeit zur Autonomie. Und genau diese will man den Rauchern absprechen. Wenn
es heißt, Raucher sind nicht frei, heißt es implizit: Sie haben keine Würde und
sind eigentlich keine echten Menschen.
Menschenwürde ernstnehmen
Natürlich
könnte man meinen, es sei übertrieben im Zusammenhang mit den Rauchverboten,
von tiefgründigen Begriffen, wie der Menschenwürde, zu sprechen.
Aber bei
einer philosophischen Analyse des Themas drängt sich dieser Begriff
zwangsläufig auf. Wenn dem Raucher die Freiheit abgesprochen wird, wird auch automatisch seine Würde in Frage
gestellt. Denn diese definiert sich nun mal (u.a.) über die Freiheit.
Fazit: Drei „mehrs“
1) Der
Begriff der Öffentlichkeit. Die Öffentlichkeit wird zunehmend in einen sterilen
Raum verwandelt, in dem niemand mehr mit Dingen konfrontiert wird, die ihn
stören könnten. Doch diese Art von Öffentlichkeit hat uns nichts mehr zu
bieten. Sie ist tot. Das hat bedenkliche, politische Konsequenzen.
2) Biomacht.
Der moderne Staat will nicht „unser Bestes“, er ist nicht „besorgt“ um uns. In
erster Linie geht es ihm um Effizienz. Gesundheit an sich soll der höchste Wert
sein, denn das bringt die größte Effizienz. Fragen nach einem (individuellen)
Sinn des Lebens sind dagegen ökonomisch irrelevant.
3) Beim
Antiraucherdiskurs handelt es sich nicht einfach nur um die Unterdrückung und
Diskriminierung der Raucher. Im Gegenteil: Dieser Diskurs bietet Macht an. In
erster Linie bietet er den Nichtrauchern Möglichkeiten zur Machtausübung an.
Doch auf perfide Weise erfasst er auch den Raucher: Seine Freiheit wird eine
Frage von Rauchen oder Nichtrauchen (So absurd das auch klingen mag – es funktioniert).
Wie plausibel das ist, das wird aus gutem Grund ausgespart.
Entsolidarisierung
Der Einzelne soll für alles verantwortlich gemacht
werden, was ihm widerfährt. Denn der Sozialstaat wird angeblich zunehmend zu
teuer. Das Rauchen bietet einen guten Einstiegspunkt, die Solidarität
aufzuheben (Robert Pfaller):
„Was, du hast
Lungenkrebs? Das kann nur daran liegen, dass du geraucht hast, oder dich in der
Nähe von Rauchern aufgehalten hast, oder sonst irgendwie „ungesund“ gelebt
hast. Denn wir haben das Rauchen ja überall verboten und dir gesagt, was alles
„ungesund“ ist. Das war deine Verantwortlichkeit, also zahl auch für deine
Behandlung selber, oder stirb“.
Foucault: „Das alte Recht sterben zu machen, oder Leben zu lassen,
wurde abgelöst von einer Macht […] in den Tod zu stoßen.“
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