Mittwoch, 29. Januar 2014

Ich denke, also bin ich Teil 4 – Friedrich Nietzsche



Nietzsche war kein akademischer Philosoph. Vor allem Nietzsches spätere Werke sind nicht eindeutig im Bereich der Philosophie zu lokalisieren, sondern in einem Graubereich zwischen Philosophie und Literatur (also Kunst). Es bleibt bei oft oberflächlichen Andeutungen, die nicht ausformuliert werden, denen dafür mit einer umso gigantischeren Sprache Eindruck verliehen wird. Nietzsche ist meines Erachtens nach neben Goethe  der größte Sprachkünstler des Deutschen. Das Wirken aus einem Graubereich heraus ist von Nietzsche zum Teil gewollt, wie sich etwa in „Jenseits von Gut und Böse“ zeigt, wo er versucht auf knapp 25 Seiten die gesamte bisherige europäische Philosophie zu verwerfen:

Allmählich hat sich mir herausgestellt, was jede grosse Philosophie bisher war: nämlich das Selbsterkenntnis ihres Urhebers und eine Art ungewollter und unvermerkter mémoires“

Jede bisherige Philosophie sei ein Zurechtbiegen der Natur gewesen. Über die Stoa meint Nietzsche etwa:

„[…]ihr verlangt, dass sie [die Natur] „der Stoa gemäß“ Natur sei“

Der Mangel der Philosophie sei ihre Glaube an eine „Wahrheit an sich“:

„[…] die Kantische Frage „wie sind synthetische Urtheile a priori möglich?“ durch eine andere Frage zu ersetzen „warum ist der Glaube an solche Urtheile nöthig?““

Doch auch die Naturwissenschaften kommen nicht ungeschoren davon:

Es dämmert jetzt vielleicht in fünf, sechs Köpfen, dass Physik auch nur eine Weltauslegung und 
–Zurechtlegung und nicht eine Welt-Erklärung ist“

Erklärt sich die Leitstellung der Naturwissenschaften (heute noch) also aus dem „ewig volkstümlichen Sensualismus“?

Ausnahmsweise findet Nietzsche auch für Platon löbliche Worte. Seine Ideenlehre sei „vornehm“, da sie dem „plebejischen Grundgeschmack“ -dem Empirismus- widerstehe.) Aber ist Nietzsche hier nicht auch ein Vordenker des Konstruktivismus (konsequenter gar als Vico, Berkeley, Locke oder Kant?), wenn er sagt, Naturgesetze werden in die Welt nur hineininterpretiert, seien aber keine Gesetze der Welt an sich? Doch, und hier wird Nietzsche zum Literaten, anstatt diesen Gedanken konsequent zu Ende zu denken, denkt er ihn in andere, poetischere Richtungen.

Nietzsche als Vordenker des Konstruktivismus zu sehen, wäre zu viel der Ehre. Die bloße Behauptung, dass Naturgesetze in die Welt hineininterpretiert werden, ist noch kein Gegenentwurf oder gar eine fundierte theoretische Einsicht.  

Blendet man Nietzsches Sprachgewalt aus, bleibt eine Einsicht übrig, die sich auch auf Grundlage des volkstümlichen Skeptizismus treffen ließe.
Was trägt Nietzsche nun zur Diskussion um das descartsche Gedankenexperiment bei? Eine fundamentale Kritik:

Was den Aberglauben der Logiker betrifft: so will ich nicht müde werden, eine kleine kurze Tatsache immer wieder zu unterstreichen, welche von diesen Abergläubischen ungern zugestanden wird – nämlich, daß ein Gedanke kommt, wenn »er« will, und nicht wenn »ich« will; so daß es eine Fälschung des Tatbestandes ist zu sagen: das Subjekt »ich« ist die Bedingung des Prädikats »denke«. Es denkt: aber daß dies »es« gerade jenes alte berühmte »Ich« sei, ist, milde geredet, nur eine Annahme, eine Behauptung, vor allem keine »unmittelbare Gewißheit«. Zuletzt ist schon mit diesem »es denkt« zuviel getan: schon dies »es« enthält eine Auslegung des Vorgangs und gehört nicht zum Vorgange selbst. Man schließt hier nach der grammatischen Gewohnheit »Denken ist eine Tätigkeit, zu jeder Tätigkeit gehört einer, der tätig ist, folglich –«. Ungefähr nach dem gleichen Schema suchte die ältere Atomistik zu der »Kraft«, die wirkt, noch jenes Klümpchen Materie, worin sie sitzt, aus der heraus sie wirkt, das Atom; strengere Köpfe lernten endlich ohne diesen »Erdenrest« auskommen, und vielleicht gewöhnt man sich eines Tages noch daran, auch seitens der Logiker ohne jenes kleine »es« (zu dem sich das ehrliche alte Ich verflüchtigt hat) auszukommen.

Nietzsches Beitrag zu Dualismus versus Monismus ist also durchaus methodisch. Er begegnet der Frage nach Körper und Geist mit einem sprachphilosophischen Ansatz. Freilich ohne ins Detail zu gehen.

Wahrscheinlich erinnert er sich hier an seine frühere Schrift „Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne“.

Friedrich Nietzsche war gewiss ein großer Geist, ein Meister der deutschen Sprache. Doch obwohl sein außergewöhnliches Denken zweifellos interessant ist: Ich denke, man muss vorsichtig sein, ihn als Propheten zu betrachten. Als Propheten der Dialektik der Aufklärung, als Propheten der Psychoanalyse, als Propheten der Dekonstruktion, des Existenzialismus, etc..

Nietzsche wirft Fragen auf, ohne sich mit ihnen wirklich auseinandersetzen zu wollen (!) und zu können. Das ist seiner „Methode“ geschuldet.

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